Arbeit als gesellschaflticher Stützpfeiler für den Einzelnen?
Generell setze ich mich ja für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Dies ist meines Erachtens weniger eine Frage der Finanzierung als eine Frage des Menschenbildes – und mein Menschenbild ist, vielleicht auch ob meines jugendlichen Leichtsinns ;-), recht positiv: Ich glaube, dass auch bei einem bedingungslosen Grundeinkommen genügend Menschen arbeiten würden, sodass wir unseren Wohlstand halten, wahrscheinlich sogar vergrößern könnten.
Wo ich mir aber nicht so sicher bin, ist, ob mit dem Wegfall des Zwangs zur Erwerbsarbeit wirklich auch alle Menschen glücklicher werden würden. Es stellt sich die existenzialistische Frage: Wissen alle Bürger, was sie mit diesem Mehr an Freiheit anfangen sollen? Ich bin mir nicht ganz sicher.
Der Zwang zu arbeiten hat nämlich auch sein Gutes: Die Arbeit gibt vielen Menschen den Halt, den sie brauchen, um ihr Leben zu bewältigen. Es gibt viele, die von sich aus tätig werden, die planen, die auch ohne Lohn auf etwas hinarbeiten, die ihrem Leben selbst einen Sinn geben. Es gibt aber auch viele, die nicht wissen, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen sollen, die sich nicht selbst Ziele setzen wollen oder können. Diese Menschen dürfen nicht vergessen werden, wie es bei einem BGE möglicherweise der Fall wäre. Diesen Menschen muss die Gesellschaft eine Perspektive geben. Viele Bürger beziehen diese Perspektive auch aus ihrer Erwerbsarbeit, die ihnen sozialen und finanziellen Halt, die ihrem Leben Sinn und Ziel gibt.
Allerdings ist dieses Modell ungenügend: Die Erwerbsarbeit ist ungeeignet, allen in der Gesellschaft zur Orientierung zu dienen. Zum einen sind schlicht nicht alle in der Position, in den Genuss dieses gesellschaftlichen Halts zu kommen: Nicht alle Menschen bekommen einen Arbeitsplatz, egal ob sie wollen oder nicht. Für diese Gruppe fällt diese Möglichkeit der Einbindung in die Gesellschaft von vornherein weg, sie ist sogar noch zusätzlich belastet, weil sie dem Zwang, sich Arbeit zu suchen, auch dann unterliegt, wenn es eigentlich keine Arbeitsplätze für sie gibt. Zum anderen gilt der Zwang, der vielen Menschen zu einem besseren Leben verhilft, auch für die, die genau wüssten, was sie mit ihrem Leben machen wollen – auch ohne diesen Zwang. Diesen wird ein Teil ihrer Freiheit genommen, ohne dass sie davon im Gegenzug positive Folgen hätten.
Deshalb ist es trotz allem wichtig, eine bedingungslose Grundsicherung einzuführen, die niemanden unnötigerweise zwingt und die alle, egal ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen oder nicht, gesellschaftlich gleichstellen. Dem, dass viele Menschen den Halt eines (erzwungenen) Berufsleben vermissen werden, muss man entgegenwirken – auch wenn ich mir nicht ganz im Klaren bin, wie das geschehen kann. Auf jeden Fall müssen die Kinder in unseren Schulen so erzogen werden, dass sie wissen, wie sie mit der Freiheit umgehen sollen, dass sie von sich aus, intrinsisch motiviert sind, ein gutes Leben zu führen. Generell muss die Gesellschaft dafür sorgen, dass jedem das Maß an Einbindung zuteil wird, mit dem er am glücklichsten Leben kann. Einfache Lösungen gibt es dazu nicht, aber auf jeden Fall falsche: z. B. den Zwang zur Erwerbsarbeit. Bei Diskussionen um das BGE sollten aber gerade die Befürworter diesen – zugegebenermaßen unerfreulichen – Aspekt nicht außer Acht lassen.