Mehr Waffen = mehr innerstaatliche Konflikte?
Letzte Woche habe ich die freudige Nachricht bekommen, dass mein erstes Paper jetzt veröffentlicht ist: Im „Journal for Peace Research“ ist der Artikel „The build-up of coercive capacities. Arms imports and the outbreak of violent intrastate conflicts“ von Oliver Pamp, Lukas Rudolph, Paul W. Thurner, Simon Primus und mir online erschienen, für alle mit Uni-Zugang hier verfügbar. Ich will in diesem kleinen Beitrag einen kurzen Überblick geben, was wir herausgefunden haben und – hoffentlich auf leicht verständliche Art – wie wir vorgegangen sind.
Worum geht’s?
Es ist eine ungeklärte Frage, wie sich der Import von Waffen auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, dass es zu einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kommt. Die bestehende Literatur hat das nur für begrenzte Zeitperioden oder beschränkt auf bestimmte Länder untersucht, und sie ist dabei zu keinen eindeutigen Ergebnissen gekommen.
Theoretisch ist beides vorstellbar: Wenn eine Regierung Waffen importiert, kann das natürlich dazu führen, dass sie mögliche Oppositionelle abschreckt, weil sich für die dann ein Konflikt nicht mehr rentiert. Es kann aber ebenso gut sein, dass die importierten Waffen eine Spirale der Gewalt in Gang setzen, weil Regierungen Waffen, wenn sie sie schon einmal importiert haben, auch gerne einsetzen oder Rebellen dann erst recht losschlagen, wenn sie erwarten, dass die Importe nur Vorboten weiterer Aufrüstung der Regierung sind. Wir brauchen also einen empirischen Ansatz, um zu überprüfen, welcher der beiden Effekte überwiegt.
Die Herausforderungen
Ein Problem beim Thema Waffenhandel ist natürlich, dass nicht alle Daten verfügbar sind, die wir gerne hätten: Deshalb müssen wir uns auf die Erklärungskraft der Importe von Großwaffen, also z. B. Flugzeuge oder Panzer, auf Seiten der Regierungen stützen, weil dies die verlässlichsten Daten sind. Wir berücksichtigen also weder die Importe von Kleinwaffen noch Waffenflüsse zu Rebellen – für erstere gibt es Daten erst ab den 90ern, für die Rebellen sind für unsere Zwecke geeignete Daten bisher überhaupt nicht verfügbar.
Das zweite Problem besteht in der Endogenität der Waffenimporte, sprich darin, dass man bei den ökonometrischen Analysen nicht weiß, ob mehr Waffenimporte tatsächlich kausale Ursache für mehr oder weniger Konflikte sind, oder ob nicht vielmehr drohende Konflikte zu mehr Waffenimporten führen. Wenn Regierungen antizipieren, dass es bald zu einem bewaffneten Konflikt mit einer Rebellengruppe kommen könnte, werden sie Waffen importieren, um ihre Gewinnwahrscheinlichkeit im Falle eines Konfliktausbruchs zu erhöhen. Die Herausforderung besteht also darin, ökonometrisch den kausalen Effekt von Waffenimporten auf die Konfliktwahrscheinlichkeit so herauszufiltern, dass er nicht von Waffenimporten aufgrund antizipierter Konflikte verfälscht wird.
Das Vorgehen
Wir verwenden einen Datensatz, der 137 Länder umfasst, je nach Verfügbarkeit von Daten und Existenz des Landes maximal von 1949 bis 2013. Die Daten der zu erklärenden Variable Konfliktausbruch kommen von UCDP (Uppsala Conflict Data Program); als innerstaatlicher Konflikt wird dabei eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen einer Regierung und mindestens einem nicht-staatlichen Akteur definiert, bei der mindestens 25 Menschen innerhalb eines Jahres ums Leben gekommen sind.
Um das Endogenitätsproblem (s. o.) in den Griff zu bekommen, verwenden wir zwei verschiedene Ansätze: Zum einen den traditionellen, eine Instrumentierung mit einer Instrumentalvariable, zum anderen ein etwas ungewöhnlicheres Modell simultaner Gleichungen.
Instrumentalvariablen-Ansatz
Bei einer Instrumentierung wird versucht, die Varianz in den Waffenimporten, die durch die Antizipation von Konflikten verursacht wird, aus der Analyse rauszunehmen, indem man einen Faktor, genannt Instrumentalvariable, findet, der zwar mit dem Import von Waffen zusammenhängt („Relevanz“), aber keinen Einfluss auf die Konfliktwahrscheinlichkeit ausübt („Exogenität“).
Wir konstruieren uns eine Instrumentalvariable, indem wir die Waffenimporte nach verschiedenen Typen in zwei Kategorien einteilen: Zum einen Waffen, die man als Regierung in einem innerstaatlichen Konflikt einsetzen kann, also z. B. Panzer oder Flugzeuge, zum anderen Waffen, die für solche Konflikte üblicherweise nicht von großem Nutzen sind, wie etwa Schiffe oder Flugabwehrsysteme. Beide Waffentypen werden oft gemeinsam importiert (Relevanz des Instruments), weil es Regierungen um ein ausgewogenes Portfolio an Militärausstattung geht; aber Waffen, mit denen man in innerstaatlichen Konflikten nichts anfangen kann, werden auch nicht zur Vorbereitung darauf importiert (Exogenität).
Modell simultaner Gleichungen
Als zweiten Ansatz verwenden wir ein Modell simultaner Gleichungen, mit dem wir das gleiche Ziel verfolgen, nämlich Rückschlüsse auf den kausalen Effekt von Waffenimporten auf die Konfliktwahrscheinlichkeit zuzulassen. Wir verwenden dafür zwei Gleichungen, eine zur Erklärung der Waffenimporte und eine zur Erklärung der Konfliktausbrüche; in jeder dieser beiden Gleichungen taucht die jeweils andere Variable als erklärender Faktor auf, sprich Waffenimporte üben über die Konflikt-Gleichung einen bestimmten Effekt auf die Konfliktwahrscheinlichkeit aus, und Konflikte üben über die Import-Gleichung Effekte auf die Waffenimporte aus (weil eben die Antizipation eines Konflikt auch zu mehr Waffenimporten führen kann). Durch ein bestimmtes ökonometrisches Verfahren (das wir nicht erfunden haben, sondern von anderen Autoren übernehmen) bekommt man dann durch diese beiden Gleichungen sowohl den kausalen Effekt der antizipierten Konflikte auf die Importe, der für uns nur nebensächlich ist, als auch den kausalen Effekt der Waffenimporte auf die Konfliktwahrscheinlichkeit.
Ergebnisse: Mehr Waffen, mehr Konflikte
Beide Ansätze liefern uns ähnliche Ergebnisse: Wir sehen, dass ein Mehr an staatlichen Waffenimporten zu einem höheren Risiko eines innerstaatlichen Konflikts führt, und zwar sowohl bei einem Anstieg der Importe des aktuellen Jahres als auch des allgemeinen Niveaus der letzten fünf oder zehn Jahre. Das ist deshalb interessant, weil Waffenimporte oftmals Lieferungen von großen Mengen auf einmal sind, die aber natürlich nicht nur im laufenden Jahr, sondern auch längerfristig dann militärisch zum Einsatz kommen können.
Um das Ergebnis zu veranschaulichen, haben wir berechnet, wie sich das Risiko eines Konflikts in Abhängigkeit von den Waffenimporten verändert, und zwar für zwei verschiedene typisierte Länder: ein Hoch-Risiko-Land, das z. B. bereits einen Konflikt erlebt hat in den letzten fünf Jahren, einen relativ hohen Anteil der Bevölkerung von der politischen Teilhabe ausschließt, ein niedriges Wohlstandsniveau hat, etc. – und mit den umgekehrten Charakteristika ein Niedrig-Risiko-Land.
Wie man in der Grafik schön sieht, haben die Waffenimporte (X-Achse), wie wir auch theoretisch vermutet haben, keinen Einfluss in einem Land mit niedrigem Konfliktrisiko (Y-Achse). Aber wenn bereits Faktoren bestehen, die einen Konflikt begünstigen, führen mehr Waffenimporte auch zu einer noch höheren Konfliktwahrscheinlichkeit: Für unser stilisiertes Hoch-Risiko-Land steigt das Risiko um 20 Prozentpunkte zwischen einer Situation, in der es keine Waffen importiert, und einer Situation, in der es sehr viele Waffen importiert (so viele, wie wir maximal in unserem Datensatz beobachten können, dass ein Land mal tatsächlich importiert hat).
Wir zeigen also, dass Importe von Waffen tatsächlich zu einer höheren Wahrscheinlichkeit innerstaatlicher Konflikte führen. Allerdings gilt das nur für Länder, in denen bereits ein gewisses Risiko herrscht, und nur für Großwaffen – eventuell sieht das bei Kleinwaffen, die sich für völlig andere, auch nicht-militärische Einsatzzwecke eignen, ganz anders aus.