Kinder haben Rechte – und die Politik muss sie…
Bericht zur Online-Veranstaltung am 8. September 2021
Etwa 20 Interessierte hatten sich Mittwochabend in die Zoom-Veranstaltung der SPD im Bundeswahlkreis Freising–Pfaffenhofen–Schrobenhausen eingeloggt: Bundestagskandidat Andreas Mehltretter diskutierte mit Doris Rauscher, Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Sozialausschusses im Bayerischen Landtag, Lena Odell, Stadträtin in München und dort Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, sowie Julia Weinzierl, Grund- und Mittelschullehrerin und Schulpsychologin, über Kinderrechte und Chancengerechtigkeit.
Diese berichtete gleich aus ihrer persönlichen Erfahrung: Gerade im Grundschulbereich seien Kinder mit unterschiedlichsten Voraussetzungen in einer Klasse vertreten. Die Lehrerinnen und Lehrer müssten allen gleichermaßen gerecht werden. Was vor der Pandemie schon schwierig war, wurde durch Corona zur Herkules-Aufgabe. Die Ungleichheit habe so zugenommen, denn die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern sei bei Internetverbindung und Endgeräten häufig ausschlaggebend, aber auch die Betreuungssituation zu Hause sei sehr unterschiedlich. Erschwerend hinzu komme der Fachkräftemangel: Grundschullehrer verdienen nach wie vor weniger als zum Beispiel Gymnasiallehrer. Das mache den Beruf für Lehramtsstudenten tendenziell unattraktiver. Als Schulpsychologin habe sie pro Woche sechs Stunden zur Verfügung und müsse damit fünf Schulen betreuen. Dabei habe sich die Zahl der Betreuungsfälle in der Pandemie verdoppelt.
Lena Odell schloss sich dieser Analyse an: Die Pandemie habe klar gezeigt, dass über die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen viel zu selten gesprochen werde, denn Jugendliche seien keine Wähler. Gerade zu Beginn der Pandemie sei Jugendsozialarbeit durch die Corona-Regeln des Freistaats quasi unmöglich gemacht worden. „Die Regelungen der Staatsregierungen waren teilweise gruselig“, so die Münchner Stadträtin. In München habe das Jugendamt zum Glück viel Zeit und Mühe investiert, den Betrieb der Sozialarbeit aufrecht zu erhalten. Hier zeige sich, dass Sozialpolitik in der SPD-geführten Stadt einen hohen Stellenwert genieße. „Aber es gibt leider auch Kommunen, die weniger finanzielle Möglichkeiten oder einfach andere Prioritäten haben.“ Die Kommunen müssten finanziell gestärkt werden.
Doris Rauscher übernahm den landespolitischen Teil. „Bei sämtlichen sozialen Themen sehen wir immer wieder die Blockadehaltung der konservativen Parteien“, berichtet die Landtagsabgeordnete. „Für die CSU besteht eine Familie aus Mama, Papa, zwei Kindern, Hund und Garten. Die Realität sieht häufig anders aus.“ Allein in Bayern seien 250.000 Kinder von Armut gefährdet oder betroffen. 12 % der 15-jährigen lebten in Armut. „Bei diesen Zahlen verweist die CSU gerne darauf, dass es in anderen Bundesländern noch schlimmer sei. Dass es anderen noch schlechter geht, hilft den bayerischen Kindern aber nicht!“ Noch immer gebe es Fälle, wo Kinder im Winter ohne Socken und ohne Frühstück in die Kita kommen. Zugenommen hätten seit Corona auch die chronischen psychischen Erkrankungen. Und: „Statistisch gesehen sitzen in jeder Schulklasse zwei Kinder, die Opfer von sexueller Gewalt werden“, so Doris Rauscher. Die Antwort der Staatsregierung sei gewesen: „Wir tun schon genug.“
Andreas Mehltretter fasste die Diskussion letztlich so zusammen: „Kinderrechte gehören endlich explizit im Grundgesetz festgehalten, damit sie eine stärkere Bedeutung bei allen politischen Entscheidungen einnehmen!“ Der Bund habe außerdem die zentrale Aufgabe, die einzelnen föderalen Ebenen kooperativ zu vernetzen. Die Kommunen könnten schließlich nur das umsetzen, was sie finanzieren können. Auch sei eine finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung der sozialen Berufe wichtig. Der Bund müsse den Ländern für Jugendhilfe mehr Geld zur Verfügung stellen und sich dann auch ein Mitspracherecht über die Verwendung der Mittel sichern, damit Fördergelder nicht versumpfen. Schulen seien die Wiege der Demokratie. „Der Jugendkreistag war meine erste politische Wirkungsstätte und ich bin über die Schule dorthin gekommen. Jugendliche müssen ernst genommen werden und brauchen Räume, in denen sie diskutieren und ihre Wünsche und Anliegen artikulieren können, damit diese Gehört finden.“